Es ist Dezember, und ich habe einen draußen herumlaufenden Igel gefunden.
Was soll ich tun?
Eigentlich sollten im Dezember alle Igel im Winterschlaf verschwunden sein.
Ein im Dezember noch angetroffener Igel ist in den meisten Fällen hilfsbedürftig und sollte in menschliche Obhut genommen werden.
Ausnahmen sind Jungigel, die mindestens 600 g wiegen und bei sehr milden Temperaturen noch einmal nachsehen, ob noch etwas Fressbares zu finden ist. Solch einen Kandidaten sollten Sie unbedingt wiegen und eventuell durch ein Aufnehmen für eine Nacht sichergehen, dass er nicht ausdauernd hustet oder grünen, schleimigen oder dünnflüssigen Kot absetzt (ersteres bedeutet, dass er einen so starken Lungenwurmbefall hätte, dass es ihn nicht zur Ruhe kommen lässt, letzteres, dass er eine Darmentzündung mit Parasitenbefall hätte, was ebenfalls ein Einschlafen verhindern kann). Ist beides nicht der Fall, lassen Sie ihn am folgenden Abend wieder laufen.
Eine weitere Ausnahme sind Igel, insbesondere Jungigel, die im Dezember immer noch an einer Futterstelle mit Nahrung versorgt werden. In einem solchen Fall hören Sie bitte sofort auf zu füttern. Die Igel brauchen auch den Nahrungsentzug als Auslöser für den Winterschlaf. Man füttert bis Ende November oder bis zum ersten nennenswerten Frost oder natürlich, bis eine knappe Woche lang in Folge kein Igel mehr gekommen ist. Anfang Dezember muss jeder Igel im Winterschlaf verschwinden, weil sonst die Gefahr zu groß wird, dass er vom Schnee überrascht wird und in sein Nest nicht mehr hineinkommt. Wenn die niedrigen Temperaturen nicht ausreichen, damit er begreift, dass er jetzt Winterschlaf machen muss, bewirkt ein Einstellen der Fütterung das Nötige – auch wenn es einem auf den ersten Blick grausam erscheint, wenn der Igel nochmal zur Futterstelle kommt und da eines Abends nichts mehr steht. Vorzugsweise beendet man das Füttern Anfang Dezember, wenn der Wetterbericht absinkende Temperaturen angekündigt hat.
Wenn immer weitergefüttert wird, gehen Igel eventuell gar nicht in den Winterschlaf. Ich habe mehrmals um Weihnachten herum oder sogar im Januar beim ersten Schnee Hilferufe erhalten, dass die armen Igel an der Futterstelle kalte Füße haben… Mit dem Zufüttern soll man den natürlichen Ablauf stützen, ihn aber nicht auf den Kopf stellen.
Mit allen anderen im Dezember draußen angetroffenen Igeln (Jungigel mit weniger als 600 g Körpergewicht, alle Alttiere) stimmt irgendetwas nicht. Hier rate ich dringend, das Tier in menschliche Obhut zu nehmen und möglichst bald mit mir Kontakt aufzunehmen — und auch, wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie einen Jungigel oder ein Alttier gefangen haben. Sehen Sie sich hierzu auch den Text Nr. 18 „Alt- und Jungigel unterscheiden” unter diesem Menüpunkt an.
Stellen Sie die Kiste, in die sie den Igel gesetzt haben, bitte richtig warm, bei Wohnzimmertemperatur, mindestens 22 Grad !!!
Auf dem Balkon, auf der Terrasse und leider auch in vielen Kellern ist es zu kalt: Entweder die Igel fressen dann gar nicht erst, oder das Tier verbraucht die Energie, die es aufnimmt, und sogar darüber hinaus, um die Körpertemperatur aufrecht zu erhalten. Da helfen auch Heu, Stroh oder Zeitungspapier nicht, denn die Ausgangswärme wird ja nicht von außen zugeführt, sondern muss vom Tier produziert werden. Ansonsten beachten Sie bitte alle Hinweise des Textes Nr. 21 „Unterbringung, Futter, med. Behandlung, Auswilderung des Pflegeigels” unter diesem Menüpunkt, solange Sie das Tier bei sich zu Hause haben.
Gehen Sie bitte lieber nicht zu irgendeinem Tierarzt, sondern wenden Sie sich an eine Igelstation, die Ihnen direkt helfen oder Ihnen einen igelkundigen Tierarzt benennen kann. Denn zu viele Tierärzte kennen sich mit Igeln nicht gut aus, weil der Igel im Tierarztstudium fast gar nicht vorkommt, und geben in guter Absicht falsche oder dem Zustand und Alter des Tieres nicht angemessene Medikamente. (Auf keinen Fall dürfen Ivomec oder Advocate oder irgendein anderes Spot-On-Präparat bei Igeln verwendet werden. Sie sind für Hunde und Katzen entwickelt und lassen sich nicht einfach per Dreisatz auf das Gewicht des Igels umrechnen, denn der Igel verstoffwechselt ganz anders als andere Tiergattungen.)
Da es nach ein paar Tagen mit durch Wärme und Futter angekurbeltem Stoffwechsel zu einer explosiven Vermehrung von schädlichen Bakterien im Darm kommen kann, die man später eventuell nicht mehr in den Griff bekommt, wäre es gut, wenn Sie so bald wie möglich per Email Kontakt zu mir aufnehmen würden. Ohne medizinische Behandlung wird es nicht gehen.