Ein Jungigel erzählt über seine Kindheit
Hallo! Ich heiße Roter Roland, wegen des roten Punktes, den ich zur Unterscheidung von meinen Geschwistern Blanche und Blanco aufgemalt bekommen habe. Da war ich sooooo klein:
Wir drei sind am 18. September mit je ca. 55 g Gewicht in die Igelstation Göpner gekommen.
Zuvor hatten wir schlimme Aufregungen erlebt: Wir lebten mit noch weiteren zwei Geschwistern mit unserer Igelmama im Nest, und alles war so, wie von der Natur vorgesehen. Als wir etwa 10 Tage alt waren, kamen plötzlich zwei aufgeregte Terrier und kratzen das Nest auseinander. Igelmama hat sich so furchtbar erschrocken und solche Angst bekommen, dass sie weggelaufen ist und uns allein gelassen hat. Vielleicht ist sie später wiedergekommen, aber das werden wir nie erfahren. Die bösen Hunde haben uns mit den Krallen auf dem Rücken verletzt und auch versucht, uns zu beißen. Das tat gemein weh! Nur Blanche ist nichts passiert. Dann kam das Frauchen der Terrier und rettete uns vor ihren unerzogenen Hunden. Sie brachte uns zu einem Tierarzt, der unsere beiden am schlimmsten verletzten Geschwister einschläferte. Blanco, Blanche und ich sind dann über Umwege zu Frau und Herrn Göpner gekommen. Dort wurden unsere Wunden versorgt, hörten auf, weh zu tun, und heilten schnell ab!
Zu dem Zeitpunkt konnten wir noch nichts sehen und nur ganz wenig hören und nur Milch trinken, wenn wir sie mit einem Schnuller bekamen.
Danach waren wir immer schön satt, glücklich und total müde!
Eines Tages konnten wir zum ersten Mal ein bisschen sehen, erst durch einen kleinen Schlitz, aber bald mit kugelrunden Kinderaugen.
Dann haben wir gelernt, aus dem Napf zu trinken.
Dabei habe ich (rechts) immer schön aufgepasst, dass ich dicker blieb als meine Geschwister.
Nach einer Weile war außer Milch etwas mit im Napf, für das wir unsere neuen Zähne ganz prima gebrauchen konnten:
Das schmeckte so aufregend, dass wir uns alle den Rücken damit bespucken mussten!
Am 10. Oktober, als wir ca. einen Monat alt wurden und gerade alle die 200-g-Marke geschafft hatten, durften wir zur Feier des Tages zum ersten Mal in den Garten:
(Ich immer vorneweg!)
Dann sind wir in eine Zweizimmerwohnung mit Durchgang umgezogen, weil wir nun schon gaaanz groß wurden:
Hier sind wir gerade dabei, mit den Zeitungsfetzen unser Nest in der rosa Kiste zu optimieren. Auf dem Foto sind nur meine Geschwister zu sehen, denn ich arrangierte alles innerhalb des Schlafhauses.
Später haben wir dann auch die Fußbodenzeitung dafür verwendet.
Ja, und vorgestern hat unsere Adoptiv-Mama uns dann nochmal auf den Rasen gesetzt:
Ich bin der ganz rechts, klar! Blanche ganz links, und mein Bruder in der Mitte.
Ich war jetzt 100 g schwerer als meine Geschwister und hatte die 700-g-Marke überschritten.
Hier sitze ich ganz rechts, Blanco in der Mitte und unsere Schwester ganz links.
Und dann habe ich auf einem Portraitfoto bestanden:
Gestern abend ist mir das bisher Aufregendste meines Lebens passiert: Ich wurde von Mama aus dem Schlafhaus genommen und an die frische Luft getragen, und dann hat sie mich mitten in wohlriechende, trockene Baumblätter gesetzt. Es ist wohl auch wieder ein Deckel obendrauf gekommen. Als ich alle Blätter berochen hatte, wollte ich doch mal rausbekommen, ob es einen Ausgang gibt, und siehe da:
Prima, Futter wie gewohnt vor dem Haus, aber ich hatte ja vorher schon was gefressen und bin deshalb mal weitergegangen.
Niemand hielt mich auf!!!! WAR DAS SPANNEND!
Jetzt hatte ich was gefunden:
Sowas hatte ich noch nie gerochen! Das kaute ich dann ein Weilchen durch.
Ab und zu blitzte es, das begann mich zu stören. Aber da hörte es auch schon auf.
Ich bin dann im angenehmen Dunkel losmarschiert, bin an der Stelle vorbeigekommen, wo wir einen Tag vorher in der Sonne gesessen hatten, dann war da eine hohe Holzbarriere, und ich kam nicht weiter und blieb etwas ratlos sitzen. Da kamen Schritte, und ich machte mich vorsichtshalber zur Stachelkugel und fauchte etwas. Als ich eine Stimme hörte: „Roland, was sitzt du denn da am Zaun? Komm mal her, du sollst nicht durch das Loch auf die Straße gehen, da fährt manchmal ein Auto, und außerdem findest du vielleicht nicht zurück” – da kapierte ich, dass das Adoptiv-Mama war, ließ mich unterm Kinn kraulen, auf den Arm nehmen und zurück in das Holzhaus mit den Blättern tragen. Da blieb ich natürlich nicht drin, war ja langweilig, und dann bin ich in die andere Richtung gegangen, da stand noch so ein Holzhaus (ob da demnächst meine Geschwister reingesetzt werden?), dann kamen wuschelige Pflanzen, Erde, 1000 Gerüche. Ich merkte mir, was Adoptiv-Mama über den Zaun gesagt hatte.
Als es anfing, hell zu werden, bin ich zu meinem Holzhaus zurückgekehrt, habe noch eine Runde gefressen, und dann bin ich in die Blätter gekrochen und habe mich schlafen gelegt. Irgendwann vorhin kam etwas zu mir rein und störte mich, da habe ich wieder Stacheln aufgestellt und gefaucht. Es rief draußen „Autsch”, dann kamen freudige Laute, und beim Wiedereinschlafen war mir noch, als hätte ich die Stimme von Adoptiv-Mama gehört, die laut rief: „Er ist wieder da! Der Roland hat sein Haus wiedergefunden und schläft da drin.”
Ja, klar mache ich das. So gemütlich, wie das ist. Und was soll schwierig daran sein, es wiederzufinden? Ich bin schließlich ein Igel!
©Gertraude Göpner, 13. November
P.S. von Gertraude Göpner:
Roter Rolands Geschwister sind nach einem Winterschlaf in der Pappbox im Gartenhaus erst im nächsten Frühjahr ausgewildert worden. Blanco und Roter Roland sind zu Sommerbeginn abgewandert, weil es in der Gegend schon ziemlich viele Igelmänner gab.
Blanche aber ist dem Göpnerschen Garten treu geblieben und gerade erst jetzt, ein Jahr später, irgendwo im Garten oder in der Umgebung mit etwa 1200 g Gewicht in den Winterschlaf entschwunden. Hoffen wir, dass sie wohlbehalten im nächsten Frühling wiederkommt.